Schematherapie

Die Schematherapie hat sich aus der psychotherapeutischen Methode „Verhaltenstherapie“ heraus entwickelt, gilt aber als eigene Methode und als therapieschulenübergreifender Therapieansatz. Sie integriert die von der aktuellen Psychotherapieforschung geforderten Wirkfaktoren und –elemente in einer Methode. Ziel ist, ein bestmögliches Behandlungsergebnis mit einer „massgeschneiderten“ Therapie zu erreichen.

Entwickelt wurde sie ursprünglich zur wirksamen Behandlung von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen und –problemen.

Die Schematherapie versucht auch, den „Leib-Seele-Dualismus“ (Spaltung in seelische und körperliche Prozesse) zu überbrücken.

Wie läuft eine Schematherapie ab?

Das Beziehungsverhalten von Menschen wird wesentlich durch frühe Erfahrungen und weitgehend unbewusst gesteuert. Die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen entwickelt sich als Anpassungsleistung an seine Lebensbedingungen in der Kindheit. Bereits in den ersten Lebensmonaten bilden sich durch die Interaktion zwischen Bezugsperson und Kind Verhaltensmuster aus, die dann über das weitere Leben stabil bleiben. – Die Schematherapie nimmt nun hier Einfluss und baut eine „erworbene sichere Bindung“ auf. – Sie möchte also Bindungsstörungen „heilen“. 

Das zentrale Ziel einer Schematherapie ist, automatisiertes Verhalten durch kontrolliertes Verhalten zu ersetzen, das danach automatisiert werden soll:

  • Diese unbewussten Verhaltenssteuerungen werden ins Bewusstsein gehoben und dem bewussten Denken zugänglich gemacht. – Das wird z.B. durch Imaginationsübungen, durch erlebensaktivierende Techniken, erreicht. Für den Klienten wird also erlebbar, wie die Vergangenheit fortdauernd das Verhalten in der Gegenwart beeinflusst. – Alte Muster kann man beispielsweise mit Schubladen vergleichen, die unerwartet aufspringen und deren Inhalt dann überflutet. 
  • Können nun diese Zusammenhänge identifiziert werden, ermöglicht das, neue, erwachsene, problemlösende Verhaltensmuster auf zu bauen. 
  • Im nächsten Schritt wird daher daran gearbeitet, sich von dieser automatisierten und unerwünschten Bewältigungsreaktion zu trennen. Diese dysfunktionalen Gedanken sollen wahrgenommen und etikettiert werden und es soll inhaltlich keine weitere Beschäftigung mehr mit ihnen erfolgen („durchwinken und loslassen“). Dann wird die Aufmerksamkeit auf einen neutralen Inhalt gelenkt.
  •  In Folge werden neue Lösungsschemata aufgebaut. – Es wird also neues, funktionales Verhalten aufgebaut. Dies passiert zuerst kontrolliert und kann dann automatisiert werden: hierfür wird eine „selbstreflexive“ Haltung eingeübt, um sich von diesen primär emotional gesteuerten Prozessen zu distanzieren. So entsteht eine neu gewonnene innere Beweglichkeit, die ermöglichen soll, auf neue und nun funktionale und erwünschte Verhaltensweisen quasi „überzuwechseln“.
    Ausserdem kommt es zu einer Spannungsreduktion und die Anpassungsfähigkeit erhöht sich. 

Zu den verhaltensverändernden Elementen zählen: Rollenspiele (neue Lösungen werden am Therapeuten geübt), „Hausaufgaben“, das Führen eines Schema-Tagesbuches.

Was ist ein „Schema“?

Bestimmte Sinnesreize führen beim Säugling zu einer Aktivierung von bestimmten Gruppen von Nervenzellen (Neuronen). Werden diese wiederholt, lang anhaltend, sehr intensiv und verbunden mit emotionalem Erleben aktiviert, kommt es zur Entwicklung von „Bahnungen“, die Neuronen-Gruppe reagiert nun, intensiv vernetzt, immer leichter.

Diese „Erregungsbereitschaft“ nennt man ein „Schema“ ( sozusagen eine emotionale Wunde). Wenn dieses durch bestimmte Schlüsselreize
(„Trigger“) aktiviert wird, wird ein bestimmtes Erleben sichtbar und bewirkt ein bestimmtes Denken, Fühlen, Körpergefühl und spontane Handlungstendenzen – dies nennt man einen „Modus“. Mit den Modi wird also das aktuelle Erleben beschrieben, während Schemas die frustrierten Grundbedürfnisse im Hintergrund zeigen.

Das Modusmodell besteht aus 3 Grundkompenenten:

  • Kindmodus: aus den Körperprozessen kommendes spontanes unverändertes emotionales Erleben des Klienten
  • innere Kritiker: erlernte und verinnerlichte Bewertungen und Regeln der Bezugspersonen: wiederholt, was früher „von aussen“ gesagt wurde:
    •  nach innen wirkend – Stellvertreter der äusseren Eltern (Introjekt), wiederholt, was früher von aussen gesagt wurde
    • nach aussen gerichtete: fordernd oder strafend (Identifikation)
  • Bewältigungsmodi: ergeben sich aus den Aktivierungen der Kind- und Inneren-Kritiker-Modi:
    • Modus der Unterordnung bzw. Unterwerfung
    • physischer oder emotionaler Rückzug
    • kämpferische oder manipulative Überkompensation
  • gesunder erwachsener Lösungsmodus: dieser wird in der Therapie aufgebaut: selbstreflexive Haltung, Durchsetzen der Handlungsoptionen durch Selbstinstruktionen (knappe, neue Regeln), kognitive Korrektur mit Hilfe eines „Schema-Memos“

Die Bewältigungsmodi mindern also die Spannungen zwischen den Reaktionen der Kind-Modi und dem Druck der inneren Kritiker. In der Therapie geht es darum, die eigentlichen Grundbedürfnisse zu befriedigen, dosierte, sozial angepasste Reaktionen zu entwickeln. Dadurch erreicht man eine ausgewogenere und langfristig erfolgreichere Befriedigung der Grundbedürfnisse. – Dadurch zeichnet sich psychische Gesundheit aus. 

Was macht eine Schematherapie aus?

Eine „Schematherapie“ zeichnet sich aus durch:

  1. eine therapeutische Beziehungsgestaltung im Sinne der „begrenzten elterlichen Fürsorge“: die therapeutische Beziehung soll partnerschaftlich, vertragsartig und „shared decision making“ sein – alle Hintergründe und Vorgehensweisen werden dem Klienten erklärt und mit ihm abgestimmt. – Das ermöglicht auch Transparenz und maximale aktive Mitarbeit der Klienten. 
  2. Den systematischen Einsatz von „erlebnisaktivierenden Techniken“: emotionale und zum Teil unbewusste Prozesse sollen durch diese Techniken direkt einbezogen werden und zum zentralen Gegenstand der Therapie gemacht werden. Zur Aktivierung dieser „Schemata“ dient die Technik der „Imagination“. Weiters wird die Technik „Dialoge auf mehreren Stuhlen“ eingesetzt.
  3. Die Schematherapie bezieht frühe Beziehungserfahrungen in das Verständnis der Entwicklung von psychischen Störungen mit ein. Die aktuellen Forschungsergebnisse bestätigen die Bedeutung dieser frühen Erfahrungen für die Persönlichkeitsentwicklung bzw. für -probleme, die in diesen Bereichen entstehen. Es kann auch eine Einprägung bis in körperliche Strukturen der „Verpackung“ der  DNA festgestellt werden. Spätere Veränderungen des Ablesens und Umsetzens der genetischen Information sind möglich, eventuell auch durch Psychotherapie. 
  4. eine auf das „Schema- bzw. Modusmodell“ bezogene „Fallkonzeption“ (bestehend aus der biografischen Anamnese, der Beobachtung der Interaktion innerhalb der Therapie und den Schemafragebögen) und  der Therapieplanung

Zusammenfassend integriert die Schematherapie also Ergebnisse der neurobiologischen Forschung, die Lerntheorie, die Ergebnisse der Bindungsforschung, kognitive Techniken, den Expositionsansatz, imaginative Verfahren, Elemente der Gestalttherapie, die Arbeit mit „aktivierenden“ Emotionen, eine achtsame und akzeptierende Grundhaltung, den Aufbau einer selbstreflexiven Haltung, den Einsatz von Arbeitsblättern, übenden Elementen bis zu „Hausaufgaben“.

Mit dem Ziel, negative frühe Beziehungserfahrungen im Schutz der therapeutischen Beziehung durch einen spezifischen Einsatz von Techniken gezielt zu aktivieren um sie dann mit den im Erwachsenenalter verfügbaren, weiterentwickelten Ressourcen, unterstützt von einem anfangs sehr supportiven Therapeutenverhalten, zu verändern.₂₃,₂₄