Traumata

„Ein Trauma ist die am meisten ignorierte, geschmälerte, verleugnete, missverstandene und unbehandelte Ursache für menschliches Leiden.“ (Peter Levine)

Was ist eine Traumatisierung?

„Ein Trauma ist eine normale Reaktion auf ein abnormales Ereignis!“ (Peter Levine)

Trauma ist eine allgemein menschliche Erfahrung, die jedem begegnen kann.

Körperliche und psychische Traumatisierung wird  beschrieben als

  1. objektives, plötzliches, kurz oder lang anhaltendes oder wiederkehrendes,
  2. existenziell bedrohliches und auswegloses Ereignis außerhalb der normalen menschlichen Erfahrungsnorm, das
  3. das subjektive Erleben von absoluter Hilflosigkeit, Ohnmacht, intensiver Furcht und Entsetzen auslöst. 

Auch durch objektiv harmlos scheinende Situationen können Traumata entstehen, wenn die Belastbarkeit in diesem Moment überschritten wird. Sie können die unterschiedlichsten Auswirkungen haben und bleiben oft für lange Zeit unerkannt.

Bei einem Trauma wird das seelische und körperliche Gleichgewicht eines Menschen durch ein äusseres Ereignis erschüttert, die zentrale seelisch-körperliche Verarbeitung wird überfordert, dabei steigen Angst und Erregung ins Unermessliche. Das Grundvertrauen, durch seine nächsten Bezugspersonen geschützt und durch eigene körperliche und seelische Abgrenzung unantastbar zu sein, wird beschädigt oder zerstört.

In der traumatisierenden Situation reagieren die beiden Alarme Angst (psychisch) und   Schmerz (körperlich), was im Organismus Stress auslöst und in Folge körperliche Erregung. Die betroffene Person erfährt Hilflosigkeit, da Flucht nicht möglich ist und auch Kämpfen nicht gelingt, was zu Ohnmachtsgefühlen führt. Diese Handlungsunmöglichkeit führt zu innerer und äusserer Erstarrung, die vom Betroffenen als erstarrtes Ausgeliefertsein erlebt wird. In Folge kommt es zur Unterwerfung, diese kann sich auch als schlaffer „Totstellreflex“ zeigen. Es kommt zu einer Fragmentierung (Dissoziation).

Ein Trauma beinhaltet also immer 4 Faktoren:

  • aussergewöhnlich starke Erregung
  • psychophysische Kontraktion
  • Dissoziation, Freeze und Fragmentierung
  • Hilflosigkeit

Es existieren eine Reihe an Unterscheidungen, zB spricht man von Einmaltrauma, Mehrfachtrauma, komplexer Traumatisierung, kumulativem Trauma, Kindheits-, Erwachsenentrauma, individuellem/kollektivem Traumata.

Was ist eine posttraumatische Belastungsstörung?

Alle Symptome und Kennzeichen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) entwickeln sich aus diesen 4 Faktoren, sollte die mobilisierte Erregung nicht innerhalb der nächsten Zeit abgebaut werden, kann der natürliche Heilungsprozess nicht ungestört durchlaufen werden. Eine PTBS ist eine Stressverarbeitungsstörung. 
Zu den Kernsymptomen einer PTBS gehören:

  • Intrusionen: willentlich nicht steuerbare Erinnerungen an das Ereignis (Voll- oder Teilflashbacks)
  • Vermeidung: Strategien der Betroffenen, um Erinnerungen an das Ereignis von sich fern zu halten: sozialer Rückzug, Vermeidung von Triggern, Teil- oder Vollamnesie)
  • Übererregbarkeit (Hyperarousal): erhöhte Reizbarkeit, hohes Stressgefühl, Schlafstörungen, Überwachsamkeit, Konzentrationsstörungen, erhöhte Schreckhaftigkeit, aber auch 
  •  Hypoarousal: Bewusstseinniveaus mit verschiedenen Graden körperlicher Anästhesie, starken und unwillkürlichem Absinken des Bewusstseinsniveau; es existieren unterschiedliche Erinnerungsmöglichkeiten gleichzeitig nebeneinander

Traumatische Erlebnisse können das Gleichgewicht eines Menschen so drastisch verändern, dass dieser Zustand alle anderen Erfahrungen überschattet und das Leben ungeheuer beeinträchtigt. Bei einer PTBS ist nichts mehr, wie es war. 

Wie verläuft eine traumatische Erfahrung?

Ein psychisches Trauma ist nicht mit dem traumatischem Ereignis beendet, sondern erstreckt sich über dieses hinaus.  – Bei einer natürlichen Traumaverarbeitung bestehen die unterschiedlichen Phasen des Verlaufs aus der traumatischen Situation mit Schockphase, Traumaverarbeitungsphase und Erholungsphase. 

Eine Chronifizierung ist keine natürliche Entwicklung der Traumaverarbeitung, sondern zeigt, dass der natürliche Heilungsprozess nicht ungestört durchlaufen werden konnte.  

Wie eine betroffene Person eine traumatische Erfahrung erlebt, hängt von verschiedenen Faktoren ab: vom Ereignis selbst,  dem Lebenszusammenhang des Menschen zum Zeitpunkt des Traumas, der körperlichen Konstitution, angeeigneten Fähigkeiten, der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten mit dem Trauma fertig zu werden, äusseren und inneren Ressourcen und dem Erfolg und Versagen im bisherigen Leben.

Traumasymptome können nach dem auftretenden Ereignis jahrelang verborgen bleiben. Oft erst Monate, Jahre oder Jahrzehnte später beginnen Betroffene, unter beängstigenden und bizarren Symptomen zu leiden.

Was ist eine Dissoziation?

Kommt es zu einer Dissoziation, einem autonomen Notfallmechanismus, werden unerträgliche Erlebnisinhalte vom normalen Bewusstsein abgespalten, um auf diese Weise das Unerträgliche auszuhalten.  Sie zeigt sich zB in Desorientierung/Verwirrung, verändertem Zeitgefühl, Derealisation, Depersonalisation, Teil- und Vollamnesien, Freezing, bis zum Erleben von Leichtigkeit, Schmerz- und Furchtlosigkeit bis hin zur völligen Aufgabe. Es kommt zB auch zu einer Veränderung der Erinnerung an die Ereignisse.  Die beiden häufigsten Symptome sind Amnesien und ängstigende Flashbacks oder belastend bleibende filmartig ablaufende Erinnerungen (Intrusionen).

Je stärker sich eine Person dem Ereignis hilflos und ohnmächtig ausgeliefert fühlt, umso wahrscheinlich ist eine peritraumatische Dissoziation.

Trauma und Körper

Eine traumatisierte Person kann situationsbezogen unterschiedliche psychobiologische, neuroendokrine wie auch psychophysiologische Reaktionsweisen zeigen.

Wir wissen heute, dass die Reaktion auf Trauma auch im Körper und seiner Organisation gehalten wird und ein direkter Zusammenhang zwischen der Art, wie wir unseren Körper und der Art, wie wir die Welt erleben, besteht. Teile unseres Verhaltens, das wir selbst mit der Art, mit der Welt in Beziehung zu treten, zugeschrieben hatten, sind als Teil eines Regulationsproblems eines inneren Körperzustandes zu sehen. Ist die innere Regulation ständig auf eine vergangene Gefährdungssituation eingestellt, sprechen wir von Trauma.

Das Erlebte schlägt sich also als Stressmuster in aktuellen physiologischen Zuständen und Handlungstendenzen nieder, und die Reinszenierung des Traumas manifestiert sich in der Atmung, der Gestik, der Körperspannung, den sensorischen Wahrnehmungen sowie in Bewegungen, in Emotionen und im Denken.

Trauma ist nach P. Levine in einer Dysfunktion/Dysregulation des vegetativen Nervensystems begründet. (Trauma->Stress->Schmerz->Psyche)

Einem medizinisch nicht erklärten somatischen Symptom kann ein dissoziativer Charakter zugrunde liegen.

Welche Folgen hat ein Trauma?

Etwa 1 von 5 Personen, die ein sehr belastendes Ereignis erlebt hat, entwickelt eine traumabezogene Störung.  

Vom traumatischen Geschehen abgespalten gespeichert und meist durch „Trigger“ (an das Trauma erinnernde aktuelle Situationen) ausgelöst können im Hier und Jetzt zB Schreck, Angst und damit einhergehende körperlich-vegetative Angstäquivalente (Tachykardie, Atembeschleunigung, Luftnot, Schwindel, Ohnmacht, Zittern, Schwächegefühl in den Beinen und im Körper), Sinneseindrücke, „viscerale Körperempfindungen“, wie zB Schmerz, Übelkeit, Muskelverspannungen, der äussere Traumazusammenhang und Schutzmechanismen auftauchen. 

Traumatisierte Erinnerungen sind mit Hyper- oder Hypoarousal, freeze/submit, Übererregung wie Panik und emotionalem Chaos, starken körperlichen Reaktionen und heftigen Emotionen verbunden. 

Traumareaktionen laufen unbewusst ab und sind unserem Bewusstsein nicht zugänglich.

Welche Situationen können Traumata hervorrufen?

Anbei folgen einige Beispiele für Situationen, die häufig Traumasymptome hervorrufen:

  • Geburtstrauma
  • Fötaltrauma
  • Verlust eines Elternteils oder eines nahestehenden Familienmitglieds
  • Krankheiten, hohes Fieber, einschliesslich Stürzen und Unfällen
  • Sexueller und emotionaler Missbrauch, körperliche Misshandlungen einschliesslich schwerwiegender Verlassenheitserlebnisse und körperlicher Züchtigungen
  • Miterleben von Gewalttätigkeiten
  • Naturkatastrophen wie Erdbeben, Feuer und Überschwemmungen
  • Chirurgische Eingriffe
  • Anästhesien
  • Längere zwangsweise Ruhigstellung

Worum geht es in einer Psychotherapie bei einem Trauma?

Durch Traumatherapie sind viele der beschriebenen Symptome reversibel. Durch die Neuroplastizität des Gehirns besitzen wir Menschen die Fähigkeit, ein Trauma zu verarbeiten und sind dazu fähig, uns wieder zu erholen und den passenden Weg dafür zu finden.

Um durch ein Trauma hindurchgehen und es auflösen zu können, benötigt man Ruhe, Geborgenheit und Sicherheit. Diesen „sicheren Rahmen“, die Voraussetzung, damit erfolgreiche Traumatherapie überhaupt gelingen kann, finden Sie bei einer PsychotherapeutIn, bei der Sie sich gut aufgehoben fühlen und die spezielle Kenntnisse im Bereich der Traumatherapie erworben hat.

Schwerpunkt bei der Behandlung von Traumafolgestörungen ist ressourcenorientiert und stabilisierend zu arbeiten, um die Aufarbeitung und Integration des Erlebten zu ermöglichen. Für traumatisierte Menschen ist es wichtig, ein physisches Gefühl der Kontrolle zu entwickeln. Bei der Arbeit an der Überwindung eines Traumas ist die Erinnerung daran, wie es gelungen ist, zu überleben, die wichtigste Ressource für die Auseinandersetzung mit dem durch das Trauma Zerbrochenen.₂₁, ₂₂, ₂₅